3.6 Die ReaktivitÀtsbilanz
Im Kapitel 3.5 âReaktivitĂ€t und Reaktorperiodeâ wurde die ReaktivitĂ€t als Funktion der Reaktoreigenschaften definiert. Sie gibt bis hier aber noch keine
Auskunft ĂŒber den Einfluss physikalischer GröĂen bei ReaktivitĂ€tsĂ€nderungen und deren RĂŒckwirkungen auf das System.
Dies geschieht in der ReaktivitĂ€tsbilanz, in der die einzelnen Ănderungen dieser Grössen mithilfe von EinzelreaktivitĂ€ten zusammengefasst und
gegenĂŒbergestellt werden. Durch die ReaktivitĂ€tsbilanz muss auch nachgewiesen werden, dass der Reaktor zu jeder Zeit sicher zu fahren und nötigenfalls Abzuschalten ist.
Die wesentlichen EinflĂŒsse werden durch folgende Grössen bestimmt:
- Konzentration des spaltbaren Materials - Konzentration der Spaltprodukte und deren Vergiftungseffekte - Konzentration der abbrennbaren Neutronenabsorber
(Steuer-/RegelstĂ€be) - Dichte und Temperatur des Moderators und des KĂŒhlmittels - Temperatur des Brennstoffes - Stellung der SteuerstĂ€be - Dampfblasengehalt
- Borkonzentration im KĂŒhlmedium (nicht im SWR!)
Die EinzelreaktivitĂ€ten fĂŒr die ReaktivitĂ€tsbilanz werden beschrieben durch zwei Parameter:
- der ReaktivitĂ€tskoeffizient Alpha und - die zeitliche Ănderung der betrachteten GröĂe
Das Produkt dieser beiden Parameter bildet die EinzelreaktivitÀt.
Beispielsweise seinen folgende EinzelreaktivitÀten genannt:
Fasst man nun alle EinzelreaktivitĂ€ten in einer Summe zusammen, so erhĂ€lt man die ReaktivitĂ€tsbilanz. FĂŒr die oben genannten Grössen
ergibt sich diese Bilanz in folgender Form:
Die Bilanz ist natĂŒrlich nicht vollstĂ€ndig, die Aufstellung einer kompletten ReaktivitĂ€tsbilanz
unter Beachtung aller EinflussgröĂen erfolgt aber analog zur gezeigten.
Beachte: Ergibt diese Bilanz eine Nullsumme so ist das nicht gleichbedeutend damit, daà die EinzelreaktivitÀten Null sind, denn die
ReaktivitÀten wirken teilweise unterschiedlich. Manche steigern, manche mindern die GesamtreaktivitÀt.
FĂŒr einen stationĂ€ren Zustand im Reaktor ist die Summe Null. Alle Abweichungen von Null bedeuten eine ReaktivitĂ€tsĂ€nderung und damit
gemĂ€ss Kapitel 3.4 auch eine Ănderung der Leistung bzw. der Anzahl der Kettenreaktionen usw.
WeiterfĂŒhrend sei hinzugefĂŒgt:
Die ReaktivitÀtskoeffizienten hÀngen im wesentlichen von der Auslegung der Anlage
(ReaktorkerngröĂe, Spaltstoff, Gitterabstand, ...) ab und sind bedeutsam fĂŒr die Dynamik der Anlage.
FĂŒr den Siedewasserreaktor ist neben den temperaturabhĂ€ngigen ReaktivitĂ€ten vor allem
der ReaktivitĂ€tsbeitrag durch den Dampfblasengehalt im KĂŒhlwasser / Moderator wichtig. Denn er ist abhĂ€ngig von KĂŒhlmitteldruck und -durchsatz. Bei Druckanstieg wirkt er
reaktivitÀtssteigernd, da als Folge des geringeren Dampfblasengehaltes die Moderation besser und somit die Neutronendichte gesteigert wird.
Im Falle einer Druckabsenkung (z.B. Störfall oder Regeleingriff) nimmt der
Dampfblasengehalt zu und die Moderation verschlechtert sich, damit nimmt auch die Neutronendichte ab und so wirkt er reaktivitÀtsmindernd.
Dieses Verhalten macht es möglich, die Reaktorleistung ohne nennenswerte Verstellung der
SteuerstĂ€be zu verĂ€ndern. Denn erhöht man den Durchsatz an KĂŒhlmittel im Kern, so steigt der Systemdruck am Kerneintritt.
Folge: Der Dampfblasengehalt nimmt ab, die Neutronendichte nimmt zu, so dass auch die
Brennstofftemperatur steigt. Mit der Brennstofftemperatur nimmt auch die KĂŒhlmitteltemperatur wieder zu, der Dampfgehalt steigt und die Moderation wird wieder
schlechter, bis die ReaktivitĂ€t schlieĂlich wieder zu Null geht.
Allerdings hat sie sich dann auf einem höheren Leistungsniveau eingependelt.
Dieses Verhalten ist kein Zufall!
Einige ReaktivitĂ€tskoeffizienten sind natĂŒrlich, d.h. ihr Wert wird allein durch die Natur
bestimmt. So zum Beispiel der Dopplerkoeffizient. Ein Teil der Koeffizienten lĂ€sst sich aber gezielt auslegen. Dies macht man z.B. beim ReaktivitĂ€tskoeffizienten des KĂŒhlmittels. Ziel
der Auslegung ist die âinhĂ€rente Sicherheitâ der Anlage, die InhĂ€renz ist Bestandteil des Sicherheitskonzeptes. InhĂ€rente Sicherheit meint, dass der Reaktor ohne Eingriffe von
AuĂen in der Lage ist, ungewollte ReaktivitĂ€tsĂ€nderungen (z.B. bei Betriebsstörungen) selbstĂ€ndig zu beherrschen.
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