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Kernspaltung ist keine Erfindung des Menschen - der natürliche Reaktor von Oklo vor 2 Milliarden Jahren

Am 4. Dezember 1942  und damit fast genau 4 Jahre nach der Entdeckung der Kernspaltung setzten unter der Tribüne des Football Stadions von Chicago Enrio Fermi und seine Mitarbeiter die erste, sich selbsterhaltende Kettenreaktion in Gang. Seit 1972 wissen wir aber, dass wie häufig in der Geschichte der Technik die Natur der modernen Physik weit voraus war. Mutter Natur betrieb vor fast zwei Milliarden Jahren, als noch keine Menschen unsere Erde bevölkerten einen natürlichen Kernreaktor. Dieser Reaktor muss über mehrere hunderttausend Jahre funktioniert haben und setzte dabei eine Wärme von rund 100 Milliarden Kilowattstunden frei. Soviel, wie ein modernes Kernkraftwerk in knapp 4 Jahren aus Kernenergie umwandelt. Dabei wurden mehr als zehn Tonnen Uran gespalten, wobei sich etwa 4 Tonnen Plutonium und rund zehn Tonnen Spaltprodukte bildeten.

Wie konnte man das nachweisen?

Am 7. Juli 1972 wurde bei der routinemässigen Isotopenanalyse einer angelieferten Uranerzprobe aus dem westafrikanischen Staat Gabun in der französischen Isotopentrennanlage Pierrelatte ein Gehalt von nur 0,7171 Atomprozent 235U, anstatt der üblichen Gehalte von 0,7202 Atomprozent festgestellt. Eine Abweichung von nur 0,4 %, die aber bei der Genauigkeit der Massenspektrometer von 0,0006 Atomprozent auffiel. Erklärungsversuche, dass es sich um eine Vermischung dieser Proben mit abgereichertem Uran aus der kerntechnischen Anwendung handeln könnte, konnten über die Gehalte an 236U und 234U ausgeschlossen werden. Ersteres hätte sich bei einer Nutzung im Kernreaktor bilden müssen und letzteres wird während der Isotopentrennung mit der 235U-Fraktion angereichert. Der Techniker, der diese Analyse durchführte, war sehr genau und kontrollierte die Analysenbücher von früheren Chargen aus der Mine Oklo. Dabei wurden weitere Abweichungen bemerkt (gefunden wurden später Gehalte bis zu 0,296 Atom-% !). Es zeigte sich, dass diese Isotopenabreicherung um so stärker war, je höher der Gesamturangehalt war. Da geochemische Isotopeneffekte bei so schweren Elemente ausgeschlossen sind, konnte nur die Erklärung der Kernspaltung einigermassen sinnvoll erscheinen. Daraufhin wurden Analysen von Begleitelementen, wie z.B. Neodym, das bei der Kernspaltung in hohen Ausbeuten gebildet wird, vorgenommen. Hier zeigten sich Anomalien in den Isotopenzusammensetzungen gegenüber natürlichem Neodym, die durch das Wissen um die Kernspaltungsausbeuten zu erklären waren (Abb. 1). Eindeutige Beweise für eine Kernspaltung liessen sich auch bei anderen Elementen Zink (Ordnungszahl = 30) bis Dysprosium (Z=66) zeigen. Am eindeutigsten ist aber die Abreicherung von Neodym-142, da es in der Spaltung nicht gebildet wird.

Abb. 1: Über die Isotopenverschiebung bei dem selten in der Natur vorkommenden Neodym konnte der Nachweis der Kernspaltung sicher geführt werden.

 

Wie hat er funktioniert?

Die Bedingungen für eine sich selbsterhaltende Kettenreaktion sind: genügend Uran in der richtigen Anreicherung (Für normales Wasser als Moderator ist ein Mindestgehalt von 50% Uran mit mindestens 1 Atom-% Uran-235 erforderlich!), genügend Moderator (zur Moderation der schnellen Spontanspaltungsneutronen sind mindestens 6% Wasser nötig.) und so wenig Neutronengifte wie möglich (z.B. Lithium, Bor und Seltene Erdmetalle).

Da die Halbwertszeiten der Uranisotope mit der Massenzahl 235 und 238 sich wesentlich unterscheiden, zerfällt 235U mehr als sechsmal so schnell wie 238U. Das bedeutet, da der Isotopengehalt von 235U vor 2 Milliarden Jahren etwa 3-4 Atom-% betragen haben muss (235UGehalt in den heutigen Leichtwasserreaktoren ist 3,3 %).

Der Urangehalt in den Erzen von Oklo war besonders hoch und so kann man rekonstruieren, dass bei Eintritt von Regenwasser eine sich selbsterhaltende Kettenreaktion in Gang gekommen sein kann; initiert durch Neutronen aus der Spontanspaltung von 238U oder durch Neutronen, die durch die Höhenstrahlung in Sekundärreaktionen gebildet werden. Auch wenn der Neutronenfluss mit etwa 107 bis 108 n/(cm2*s) recht niedrig war (typisch für einen kleinen Forschungsreaktor sind 1011 1012 n/(cm2*s), muss diese Anordnung so heiss geworden sein, da das Wasser verdampft ist und der Reaktor sich damit zyklisch selbst abgeschalten hat.

Was ist mit den Spaltprodukten und dem Plutonium?

Der Abbrand berechnet sich zu etwa 4 * 105 MWh/t, was einer entsprechenden, nicht unbedeutenden Menge an Spaltprodukten entspricht. Diese lassen sich nach den langen Zeiträumen heute nicht mehr nachweisen, da sie sich ber den radioaktiven Zerfall in stabile Isotope umgewandelt haben. Aus Verschiebungen von Isotopenverhältnissen kann man aber mit der modernen Massenspektrometrie ein Menge über die Ausbreitung (Migration) der Spaltprodukte erfahren. Hier ist sozusagen der Blick in ein Endlager nach vielen Millionen Jahren möglich, besser als es jede Computersimulation nachzustellen erlaubt. Und obwohl keinerlei technische Barrieren und keinerlei optimierte geologische Bedingungen ein Ausbreiten von Spaltprodukten und Plutonium verhinderten, lässt sich zeigen, dass Uran, Neptunium, Plutonium, Niob, Yttrium, Technetium, Zirkonium, und die seltenen Erdmetalle an der ursprünglichen Stelle verblieben sind. Gewandert sind die Alkalimetalle, z.B. Rubidium und Cäsium, die Erdalkalimetalle Barium und Strontium, die Edelgase, Molybdän, Cadmium, Blei und Iod. Dabei muss beachtet werden, da in diesem historischen Endlager die Wärmeleistung (durch die anhaltende Kettenreaktion) von etwa 50 Watt pro m2 um ein Vielfaches höher war, als in den heute geplanten Endlagern für hochaktive Abfälle.

Nach der Entdeckung von Oklo wurden überall auf der Welt weitere natürliche Kernreaktoren gesucht, aber bisher keine weiteren sicher nachgewiesen.

 

Abb. 2: Geographische Lage von Oklo