What's new powered by crawl-it

Was ist Plutonium?

Plutonium ist physikalisch-chemisch gesehen ein Element mit der Kernladungszahl 94 und gehört zu den Actiniden. Es ist ein Schwermetall und deshalb auch so giftig wie die meisten Schwermetalle. Seine chemische Toxizität (ohne seine Radioaktivität!) ist der von Barium oder Beryllium ähnlich, Elementen, die in vielen Labors und im technischen Alltag gebräuchlich sind.

Kernphysikalisch sind die meisten Pu-Isotope relativ langlebige Atomkerne, die unter Emission von a-Teilchen (Heliumkernen) in Uran zerfallen (Ausnahme nur das 241Pu, was sich unter b--Zerfall in 241Am wandelt). Das gebräuchlichste Isotop 239Pu zerfällt mit einer Halbwertszeit von 24110 Jahren unter Aussendung von a-Teilchen von 5,096 - 5,157 MeV in 235U. Seine spezifische Aktivität beträgt 2000 Bq/µg, also 2000 Bq pro einem Millionstel Gramm. (1 m sind 1/1.000.000).

Plutonium kommt in der Natur vor und wird durch natürliche Prozesse (natürliche Kernreaktionen mit der Höhenstrahlung) in Uran ständig gebildet. Auch wenn große Mengen durch Menschenhand geschaffen wurden, gibt es immerhin rd. 300 Tonnen natürliches Plutonium im Erdboden über den Planeten verteilt, das durch diesen natürlichen Prozess erzeugt wurde. Diese relativ große Menge ist aber eben über die ganze Erde verteilt, und deshalb kaum nachweisbar. 1971 berichteten amerikanische Wissenschaftler [Darlenne Hoffman, Nature 234, 132 (1971)] - vom erfolgreichen Nachweis geringster Mengen des langlebigsten Plutoniumsiotops Pu-244 (Halbwertszeit 8,26*107 Jahre) in einem kalifornischen Erz. Dieses Plutonium stammt aus der Zeit der Elemententstehung in unserem Sonnensystem (wurde also natürlich gebildet, wie alle anderen Elemente auch). Weiterhin wurden 1972 in Oklo/Gabun geringe Mengen von 239Pu entdeckt. In diesem prähistorischen natürlichen Kernreaktor wurden vor etwa 2 Milliarden Jahren durch Einfang von Neutronen, die aus der Spaltung von 235U und aus der Spontanspaltung des 238U entstehen, mindestens eine Tonne Plutonium gebildet. Dieses Plutonium ist bis heute fast völlig radioaktiv zerfallen. (siehe Oklo - Kernreaktoren und nukleare Endlager: keine Erfindung des Menschen)

 

 

Das Plutonium, welches man heute sehr leicht mit empfindlichster moderner Analysentechnik überall in der Umwelt nachweisen kann, stammt aber aus oberirdischen Kernwaffenversuchen aus der Zeit des kalten Krieges, und von Abstürzen zumeist militärischer Satelliten mit Plutonium-Batterien.

Freisetzung von Plutonium

In der Zeit von Juli 1945 bis Oktober 1980 wurden 423 oberirdische Kernwaffenversuche durchgeführt. Die dabei freigesetzte Plutoniummenge wird weltweit auf 3 bis 5 t (ca. 1016 Bq) geschätzt [W. Koelzer, Plutonium, KfK-Bericht 4516, Kernforschungszentrum Karlsruhe, März 1989]. Bis heute sind zwei schwere Unfälle mit plutoniumhaltigen Bomben bekannt geworden, wobei es nicht zu einer Atomwaffenexplosion kam, jedoch wurde Plutonium in einer Menge von einigen kg freigesetzt. Die betroffenen Böden wurden abgetragen und in Fässer verpackt. Allerdings werden die Restkontaminationen der kontaminierten Flächen auf 30 g bzw. 400 g Plutonium abgeschätzt [C. Keller, Chemiker-Zeitung 103, 139 (1979)]. Auch beim Absturz von Satelliten, die mit 238PuO2-Isotopenbatterie ausgestattet waren, wurde 238Pu freigesetzt. Aus den Atomwaffenlaboratorien wurden g-Mengen von Plutonium durch Unfälle freigesetzt.

Der bisher schwerste Kernreaktorunfall ereignete sich am 26. April 1986 in Tschernobyl. Der größte Teil des Plutoniums verblieb - im Gegensatz zu den Spaltprodukten wie Cäsium und Strontium - wegen der geringen Flüchtigkeit entweder im Reaktor selbst oder in der näheren Umgebung des Unfallortes.

Durch die Wiederaufarbeitungsanlage in Sellafield / Großbritannien wurden lokal bis zu 1,5 * 1013 Bq Gesamt-a-Aktivität in die Irische See geleitet, wovon sich 90 % des Plutoniums in den Seesedimenten abgelagert hat. [W. Koelzer, Plutonium, KfK-Bericht 4516, Kernforschungszentrum Karlsruhe, März 1989]

Verhalten von Plutonium in der Umwelt

Der Transport auf der Erdoberfläche erfolgt fast ausschließlich durch Resuspension, da die Beweglichkeit (Mobilität) des Plutoniums im Boden außergewöhnlich niedrig ist. Bei Untersuchungen über das Tiefenprofil des Fallout-Plutoniums ergab sich für Stellen, die mindestens 15 Jahre ungestört waren, daß sich in Schichttiefen unterhalb 30 cm weniger als 5 % des Gesamtplutoniums befinden [Hardy, Nucl.Sci.Abstr. 26(10), 1972].

Die langsame Wanderung ist von der Chemie des Plutoniums her verständlich. Das vierwertige Plutonium hydrolysiert und bildet Polymere. Diese werden von Bodenbestandteilen aufgenommen und sind praktisch kaum desorbierbar. Hier besteht eine Abhängigkeit von der Bodenstruktur wobei auch der pH-Wert des Bodens bestimmend ist. Die Menge und Art an Tonmineralien wirkt sich in zweifacher Form aus: als mechanischer Filter und als Ionentauscher. Im Wasser befinden sich nur ein Tausendstel des Plutoniums wie im darunterliegenden Boden. Es wird daher schlecht abtransportiert und somit nur langsam von Pflanzenwurzeln aufgenommen. In Gewässern erfolgt fast ausschließlich Sedimentation. Es sind einige Algen und Muscheln bekannt, die vierwertiges Plutonium anreichern und deshalb als Bioindikatoren für dieses Element dienen.

Plutonium im Menschen

Die Ingestion trägt wenig (etwa 0,1 %) zur Plutonium-Kontamination der Bevölkerung bei, die Hauptaufnahme erfolgt über Inhalation. Für die Anlagerung des inhalierten, mit Plutoniumdioxid (PuO2) beladenen Aerosols ist im Atmungstrakt die Teilchengröße mitbestimmend. Bei relativ feinkörnigen Aerosolen (von 0,1 µm) erreichen etwa 30 % der Aktivität die Lunge, bei 1 µm nur noch 0,03%. Der Aktivitätstransfer zwischen dem Atmungstrakt und der Körperflüssigkeit hängt in komplizierter Weise von der physikalisch-chemischen Beschaffenheit des inhalierten Aerosols ab. Von der in die Körperflüssigkeiten transferierten Plutoniumaktivität werden 50 % im Skelett und 30 % in der Leber abgelagert. Der Rest wird sofort wieder ausgeschieden. Die biologischen Halbwertszeiten betragen im Skelett 50 und in der Leber 20 Jahre [Gesellschaft für Strahlenschutz- und Umweltforschung München, Plutonium, Mensch und Umwelt, 1989]. Eine biochemische, toxische Wirkung des Plutoniums wird erst bei hohen Konzentrationen (LD50 (intravenös) = 1 mg 239Pu / kg Körpergewicht kleiner Nagetiere) im Blut beobachtet. Die Letaldosis beim Menschen beträgt durch Inhalation 0,05 g 239Pu, das sind immerhin 100 Millionen Bq. (Zum Vergleich: die folgende Tabelle!    Dioxin - bekannt aus den Medien ist also viel viel giftiger!))

 

Substanz

LD50

Verabreichung

Ethanol

10 000

Injektion

Morphin

900

Injektion

Nikotin

1

Injektion

Plutonium-239

1

Injektion

Plutonium-239

2

Inhalation

Tetradotoxin

0,1

Injektion

Dioxin

0,001

Injektion

Botolinustoxin

0,00001

Injektion

Die Tabelle gibt die LD50-Werte für verschiedene Gifte an, sie gibt die Menge eines Giftes in Milligramm je Kilogramm Körpergewicht an, bei der 50 Prozent der Versuchstiere nicht überleben.

Plutonium wird vom Transferrin gebunden, das für den Eisentransport zuständig ist. Unter der radiotoxischen Wirkung versteht man die Schädigung der Zellen durch die ionisierende -Strahlung, was zum Zelltod führen kann. Als Spätschäden treten Lungenkrebs und Leukämie auf, da es durch die Ionisierung der a-Teilchen an der DNS zu irreparablen Genveränderungen kommen kann.

Was bedeutet das für den Umgang mit Plutonium?

Die Abbildungen zeigen einige Verbindungen des vierwertigen Plutoniums in Lösungen: Hier zeigt sich die Farbenvielfalt der verschiedenen Oxidationsstufen des Plutoniums.

[Foto: Los Alamos National Laboratory, USA]


 

Die Strahlung des Plutoniums reicht in der Luft nur einige Zentimeter weit und wird zum Beispiel schon von einem Blatt Papier oder von Stoffhandschuhen vollständig zurückgehalten.

Der Kreis von Personen, die beruflich mit Plutonium zu tun haben (etwa in Forschungszentren), wird besonders sorgfältigen Kontrollen und Schutzvorkehrungen unterzogen.

So befindet sich das Plutonium während der gesamten Bearbeitung immer in einsehbaren, abgeschlossenen Behältnissen, in dem der Mitarbeiter durch Fernhantierung oder fest installierte Gummihandschuhe (Handschuhkasten, Foto folgt) sicher und ohne jeden direkten Kontakt mit dem Stoff arbeiten kann. zudem gibt es ein getrenntes Lüftungssystem mit Unterdruck, so daß keine Luft aus dem Behältnis in die Atemluft eindringen kann.

Möglichkeiten des Nachweises

Für die umweltrelevanten Plutoniumisotope dominiert der a-Zerfall. Nachweisen kann man deshalb Plutonium durch a-Spektrometrie, einer gängigen radiochemischen Analysenmethode. Weitere spurenanalytische Verfahren sind verschiedene Methoden der Massenspektroskopie, wobei die Resonanz-Ionisationsmassenspektroskopie (RIMS) heute mit Nachweisgrenzen von 106 Atomen die erfolgreichste darstellt.

Als weitere Bestimmungsverfahren für 239Pu seien noch die Messung b-verzögerter Neutronen nach neutroneninduzierter Spaltung und die Spaltspurmethode erwähnt. Die a-Spektroskopie ist um 3 Größenordnungen unempfindlicher, weil sie durch die lange Halbwertszeit von 239Pu beschränkt ist. Die Messung der b-verzögerten Neutronen ist für Routineuntersuchungen (hohe Anzahl von Proben) zu empfehlen.

Abb.: RIMS-Spektrum von Plutonium einer “normalen” Meerwasserprobe mit 33 mBq/m3 239Pu (244Pu ist als bekannte Konzentration zur Bestimmung der chemischen Ausbeute - “Spike” - zugesetzt)

Die Abbildung zeigt ein RIMS-Spektrum mit Plutonium-Isotopen aus einer Meerwasserprobe. Neben dem großen Signalpeak für das Isotop 244, was der Analytiker zur Bestimmung selbst zusetzt (also in der Umweltprobe nicht vorhanden ist) zeigt sich vorrangig das Plutoniumisotop 239 und wenig mit der Massenzahl 240. Die Probe ist also Plutonium, wie es aus Atombombentests freigesetzt wird. Da Reaktorplutonium eine völlig andere Isotopensignatur zeigen würde, kann man sehr genau auf die Herkunft von Plutoniumkontaminationen schließen.

Kommentar zum Nutzen

Über den Nutzen von Plutonium kann man trefflich streiten. Für einen nüchternen Naturwissenschaftler gibt es dabei nur zwei Fakten. Plutonium entsteht bei der Nutzung der Kernenergie, wenn man dafür Uran einsetzt (anders ist das bei Thorium), da Uran zum wesentlichen Teil aus dem Isotop mit der Massenzahl 238 besteht. Der sichere Umgang mit diesem Stoff ist demonstriert wurden und die Gefährlichkeit ist nicht größer, als bei manch anderen chemischen Giftstoffen. Da Plutonium nun einmal anfällt, kann man es im Sinne einer Ressourcenschonung sinnvoll zur Energiegewinnung wieder einsetzen, anstatt es in der Erde zu vergraben. Die Ressourcenschonung wird für die Zukunft unseres Planeten noch eine bedeutende Rolle spielen.

Weitere Informationen

  • zu Plutoniumkonzentrationen in der Umwelt in unseren Breitengraden in C. Keller, Chemikerzeitung 103, 139 (1979);

 

  • Link zur Gefahr von Plutonium (englischsprachige Seite des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL))

 

  • Link zu einer eigenen Seite über die Chemie und Physik des Plutoniums auf www.kernchemie.de

 

Lesen Sie auch über Plutonium-Batterien

100 Watt Pu-238 Quelle, wie sie in einer Raumfahrtmission 1970 verwendet worden ist. Die Quelle ist 250g schwer und ungefähr 3 cm im Durchmesser.

[Foto: Los Alamos National Laboratory, U.S.A]