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3.2 Neutronenzyklus und Vier-Faktoren-Formel

Um den Multiplikationsfaktor k zu bestimmen hilft es, sich den Lebenslauf einer Generation von Neutronen (Neutronenzyklus) von ihrer Entstehung an in einem unendlich ausgedehnten Reaktorkern zu beobachten. Im Reaktorkern werden die Absorber (Strukturteile, Regelstäbe et c.) für diese Betrachtung mal vernachlässigt.
Es sei hier "n" die Anzahl schneller Neutronen, die durch thermische Spaltung entstehen.

Aus der thermischen Spaltung entstehen n schnelle Neutronen, also die Generation 1 unserer Betrachtung.
1) Manche dieser Neutronen bewirken sofort eine Spaltung (insbesondere im U-238), diese Spaltungen betrachtet man als schnelle Spaltung - er wird beschrieben durch den "Schnellspaltfaktor ’epsilon’ " . Es existieren nun n * 'epsilon' schnelle Neutronen.

2) Auf dem weiteren Wege werden die Neutronen nun abgebremst (Moderation) und durchlaufen auf dem Wege von 2MeV nach 0,025eV das Resonanzeinfanggebiet (5 bis 100eV) des U-238. In diesem Bereich werden Neutronen eingefangen, lösen aber keine Spaltung aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Neutron diesem Einfang entkommt, nennt man "Resonanzentkommwahrscheinlichkeit 'p' " oder "Bremsnutzung 'p' ".
Nach der Moderation stehen nun also n * 'epsilon' * 'p' Neutronen zur Verfügung.

3) Einige der nun thermischen Neutronen unterliegen jetzt aber der Absorbtion in U-235-Kernen, ohne dass sie dort eine Spaltung auslösen. Sie werden "thermisch genutzt". Beschrieben wird das durch die "thermische Nutzung 'f' ".
Übrig sind nun n * 'epsilon' * 'p' * 'f' thermische Neutronen.

4) Von diesen übrig gebliebenen Neutronen lösen nun eine thermische Spaltung aus und vermehren dadurch die Anzahl der Neutronen um den Faktor 'eta', man nennt diesen Faktor "Neutronenausbeute 'eta' " oder "Regenerationsfaktor".

Nach all diesen Vorgöngen stehen dem Reaktor nun n * 'epsilon' * 'p' * 'f' * 'eta' Neutronen in der 2. Generation zur Verfügung.

Da wir einen unendlich ausgedehnten Reaktor betrachtet und den Multiplikationsfaktor k definiert haben als Verhältnis der Neutronen einer Generation zur Anzahl der Neutronen der vorhergehenden Generation, erhalten wir als Produkt dieser vier Faktoren nun den Multiplikationsfaktor für den unendlichen Reaktor k_inf (inf steht hier für infinity). Dieses Produkt wird bezeichnet als "Vierfaktorenformel":

(das n fällt durch Kürzen heraus, da in Generation 1 n Neutronen, in Generation 2 n * epsilon * p * f * eta Neutronen vorhanden sind)

Dieser Faktor ist nur vom Material (Brennstab, Brennstoffkonzentration, Moderator) des Reaktors, der sog. "Strukturzelle" abhängig - nicht von seiner Grösse!

5) Um die Anzahl der Neutronen zu bestimmen, die in einem endlichen Reaktor existieren zu bestimmen, muss man noch zwei Faktoren berücksichtigen, die die Anzahl der Neutronen mindern. Auch hier seien die Absorber wieder vernachlässigt.

Manche Neutronen gehen im endlichen Reaktor durch Leckage verloren, d.h. sie verlassen den Reaktorkern. Die Leckageverluste schneller Neutronen aus dem Kern werden mit dem Faktor (1 – P_s) und die Verluste thermischer Neutronen mit dem Faktor (1 – P_th) beschrieben. Es verbleiben P_s * P_th Neutronen im endlichen Kern.
Berücksichtigt man diese im Multiplikationsfaktor, so erhält man daraus k_eff. Er sagt aus, wie gross das Verhältnis der Neutronengenerationen zueinander effektiv ist.

Somit ist der Multiplikationsfaktor für endliche Reaktoren ohne Absorber:

Dieser Faktor ist Material und Geometrieabhängig (also auch von der Grösse des Reaktors)!
Bei der Planung eines Reaktors wird k_eff so ausgelegt, dass k_eff > 1 ist.
Begründet liegt dies in der Überschussreaktivität, die in den Brennstäben vorhanden sein muss. Dieser Überschuss ist technisch so vorgesehen, um Reaktivitätsminderungen durch Vergiftung und Abbrand zu kompensieren. Mehr dazu in 3.5 Spaltproduktvergiftung und Abbrand.

Übliche Zahlenwerte und Definitionen für diese Faktoren:

1) Schnellspaltfaktor:

Er liegt in Leichtwasserreaktoren bei etwa 1,06 im kalt-kritischen und 1,1 im heiss-kritischen Zustand.

2) Resonanzentkommwahrscheinlichkeit:

Sie liegt im Leichtwasserreaktor bei etwa 0,7

3) thermische Nutzung:

Bezeichnet den Bruchteil thermischer Neutronen, die nicht in sonstigen Material sondern im Brennstoff absorbiert wird. Üblicherweise ist f ungeähr 0,8 im Leichtwasserreaktor.

4) Neutronenausbeute:

Dieser Faktor berücksichtigt, dass sowohl der nichtspaltbare Anteil des Brennstoffes thermische Neutronen absorbiert, als auch den Anteil der Neutronen der zwar vom Brennstoff eingefangen wird aber keine Spaltung auslöst. Deshalb ist der Faktor auch kleiner als die mittlere Neutronenentstehung von 2,43 Neutronen pro Spaltung. Er liegt in der Praxis bei ca. 1,7.

5) Leckageverluste:

Der Leckageverlust P_s * P_th schlägt mit etwa 0,98 zu Buche, lässt sich aber durch den Einbau von Neutronenreflektoren im Kern vermindern.

 

 

(Sascha Greinke)