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Generation IV - Kernkraftwerke

Ende 1999 waren 436 Kernkraftwerke weltweit in Betrieb, die etwa 17% des weltweiten Energieverbrauchs deckten. In West-Europa waren es 151 Reaktoren mit 43%. Es gibt 37 neue Anlage, die sich im Bau befinden, die meisten davon in Osteuropa und Asien.

Nach nahezu zwei Jahrzehnten Stillstand kann man mittlerweile von einer Renaissance der Kernenergie in den USA sprechen. Rasch steigende Erdgaspreise und die Stromversorgungskrise in Kalifornien haben Aengst in den USA das oeffentliche Interesse verstaerkt auf die aktuellen Probleme der Energieversorgung des Landes gelenkt und die Bedeutung der Energiepreise fuer wirtschaftliches Wachstum und Lebensstandard ins Bewusstsein gerufen. Mittlerweile sprechen sich daher 70-80% der US-Buerger fuer den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke aus; die Zustimmung der US-Buerger fuer den Bau neuer Kernkraftwerke wiederum stieg von ehemals 40% auf jetzt 70%. Durch die Notwendigkeit der Reduzierung sogenannter Klimagase, die zur Erwaermung der Erdatmosphaere fuehren, und durch den prognostizierten steigenden Weltenergiebedarf (nach heutigen gesicherten Prognosen wird der Weltenergiebedarf bis zum Jahr 2030 um etwa 50% ansteigen und sich bis 2050 nahezu verdoppeln) ist klar, dass man die Zukunft der Kernenergie weltweit neu bewerten muss. Auch unabhaengige Wissenschaftsorganisationen, wie die European Physical Society mahnen in Positionspapieren zu einer Neubewertung.

Bereits 1999 hat das U.S Department of Energy (Energieministerium) das Programm "Generation IV" ins Leben gerufen. Generation IV bezieht sich auf die recht grobe Einteilung der Kernreaktorkonzepte in vier Kategorien: fruehe Prototyp-Reaktoren (Generation I), die grossen Kraftwerkszentralen mit bis zu sechs oder acht grossen Kernreaktoren (Generation II), die fortgeschrittenen Leichtwasserreaktoren und andere Systeme mit der Eigenschaft der inhaerenten Sicherheit, wie sie in den juengst vergangenen Jahren entwickelt wurden (Generation III: Hierzu zaehlt die deutsch-franzoesische Entwicklung des Europaeischen Druckwasserreaktors EPR, des Siedewasserreaktor SWR-1000 und des ABWR), und Systeme der naechsten Generation, die noch konzipiert werden muessen und in etwa zwei Dekaden baureif werden (Generation IV). Im Laufe des Jahres 2000 hat das Generation IV Projekt weitere Interessenten gefunden und inzwischen eine Koalition aus neun Laendern herbeigefuehrt: Argentinien, Brasilien, Kanada, Frankreich, Japan, Suedafrika, Sued Korea, Grossbritannien und die Vereinigten Staaten konzipierten in 2001 auf mehreren internationalen Tagungen zukuenftige Systeme der friedlichen Kernenergienutzung und wollen in Zukunft in Forschung und Entwicklung kooperieren. Die Generation-IV Initiative ermuntert explizit auch solche Konzepte in Betracht zu ziehen, die Energie fuer industrielle Prozesse wie Kohleverdelung und Niedrigtemperaturwaerme fuer Heiznetze und Meerwasserentsalzung bereitstellen. Kleinreaktoren, sogenannte Module, und solche mittlerer Leistungsgroesse sollen insbesondere untersucht werden.

 

 

Obwohl das Programm Generation IV sehr unterschiedliche Typen von neuen Systemen untersucht, kann an einigen wenigen Beispielen die generelle, breit gefaecherte Herangehensweise illustriert werden. Die Systeme der naechsten Generation basieren auf den drei allgemeinen Grundtypen: gasgekuehlte, wassergekuehlte und schnelle Reaktoren.

 

Gasgekuehlte Reaktoren, die zur Waermeabfuehrung des Reaktorkerns Gas (ueblicherweise Kohlendioxid oder Helium) verwenden sind mehrfach gebaut und erfolgreich betrieben worden; dennoch ist ihr Einsatz bis heute begrenzt geblieben. Eine besonders interessante Loessung wurde unter dem Namen "Kugelhaufen-Modul-Reaktor" (Pebble-Bed Modular Reactor ((PBMR) bekannt. Dieses Reaktorkonzept besass bereits eine ganze Reihe der Auslegungsmerkmale, die im Generation IV-Programm als Zielaspekte genannt sind. Das Konzept wird in China, Sued Afrika und den USA weiter verfolgt. Sued Afrika plant den Bau eines Prototyps in voller Groesse, der im Jahr 2006 den Betrieb aufnehmen soll.

 

Der Reaktorkern des THTR-300-Kernkraftwerkes in Hamm-Uentrop waehrend der Erstbeladung, und HTR-Brennelement und beschichtete Teilchen (mit freundlicher Genehmigung der HTR GmbH)

 

Die Auslegung des Kugelhaufenreaktors basiert auf einem charakteristischen, kugelfoermigen Brennelement. Es ist eine Graphitkugel von der Groesse einer Billardkugel, die etwa 15.000 Uranoxid-Partikel etwa so gross wie Mohnsamen enthaelt (siehe Bild oben). Die gleichfoermig verteilten Partikel sind mit einer hochdichten Schutzschicht aus verschiedenen Materialien ummantelt. Eine der Huellschichten aus hochfester Siliziumkarbid-Keramik dient als Druckgefaess, das die Spaltprodukte waehrend des Reaktorbetriebs ebenso wie unter stoerfallbedingten Temperaturspitzen einschliesst und zurueckhaelt. Dieses neue Design bietet signifikant hoehere thermische Wirkungsgrade als heutige Leichtwasserreaktoren. Auch die relativ kleinen Abmessungen und die vergleichsweise unkomplizierte Auslegung tragen zur Wirtschaftlichkeit des Kugelhaufenreaktors bei. Dieser Reaktortyp kann als Modul mit einer elektrischen Leistung von 120 Megawatt (MWe) pro Einheit eingesetzt werden, die etwa nur ein Zehntel der Abmessungen einer heutigen Kraftwerksanlage umfasst. Damit lassen sich flexiblere, von der Groesse her bescheidenere Projekte gestalten. Diese Module koennen vorfabriziert zur Baustelle transportiert werden.

 

Solche Reaktoren der naechsten Generation weisen auch noch einige bedeutende Sicherheitsmerkmale auf. Neben der inhaerenten Sicherheit, reagiert das Edelgas Helium als Kuehlmittel auch bei sehr hohen Temperaturen nicht mit anderen Stoffen. Brennelemente und Reaktorkern koennen nicht schmelzen und werden selbst bei den extremen Bedingungen, wie sie bei Stoerfaellen auftreten koennten nur allmaehlich ihre Festigkeit verlieren. Diese Eigenschaft stellt einen ganz betraechtlichen Sicherheitsfaktor im Anlagenbetrieb dar.

Noch weitere Sicherheitsvorteile folgen aus dem Prozess der kontinuierlichen Brennstoffnachladung waehrend des Reaktorbetriebs: etwa jede Minute wird eine Brennelementkugel am Boden des Reaktorkerns entnommen und ein frisches Element wird oben in den Kern eingefuehrt. Auf diese Weise bewegen sich die Kugeln langsam ueber einen Zeitraum von etwa sechs Monaten von oben nach unten durch den Reaktorkern. Mit diesem Prozess wird im System immer die optimale Brennstoffmenge mit einem Minimum an Ueberschussreaktivitaet vorgehalten. Somit wird die ganze Klasse von Stoerfaellen ausgeschaltet, die in wassergekuehlten Reaktoren aus dem Vorhandensein von Ueberschussreaktivitaet resultieren koennen. Die stetige Bewegung der Brennelementkugeln durch die Bereiche hoher und niedriger Leistung bedeutet, dass die Betriebsbedingungen fuer diese Elemente im Durchschnitt weniger extrem ausfallen, als dies fuer lokal fixierte Brennstoffkonfigurationen der Fall ist. Auch dies erhoeht die Sicherheitsreserve der Anlage. Die verbrauchten Brennstoffkugeln werden in Langzeit-Zwischenlagern in der gleichen Weise gelagert wie die Brennelemente anderer Reaktortypen. Sie sind im allgemeinen fuer die Wiederaufarbeitung nicht geeignet.

 

Besonders bedeutsam ist, dass diese Anlagen in Temperaturbereichen betrieben werden koennen, die es ermoeglichen, Wasserstoff aus Wasser oder anderen Rohstoffen nahezu emissionsfrei zu erzeugen, der dann in Brennstoffzellen und Fahrzeugmotoren verwendet werden kann.. Auf dieser Technologie koennte also eine nachhaltige Energiewirtschaft mit Wasserstoff als Zwischenprodukt basieren.

 

Auch die wassergekuehlten Kernreaktoren der sogenannten 3. Generation, wie EPR, SWR-100, ABWR, die gerade eben auf dem Markt angeboten werden, haben ein grosses Potential fuer die Zukunft. In ihnen sind die Zielrichtungen der 4. Generation, wie die Beherrschung eines moeglichen Kuehlmittelverlust-Stoerfalls (Three Mile Island, Harrisburg) und der passive Waermetransfer durch natuerliche Konvektion in Falle eines hypothetischen Stoerfalls, schon gut realisiert. Um den Wunsch nach einer Vereinfachung der Anlagen und der Zielsetzung alle Komponenten in ein abgeschlossenen Kontainment unterzubringen, so dass alle denkbaren Ereignisse sich deshalb auf das Kontaiments beschraenken wuerden, nachzukommen, sind verschiedene Vereinfachungen bei den Reaktorkonzepten vorgesehen. Auch bei den wassergekuehlten Reaktoren ist der Wunsch sehr kleine Module bauen zu koennen, was mehr Flexibiltaet und geringere Entwicklungskosten bedeuten wuerde.

 

Die Entwickler untersuchen aber auch die Moeglichkeiten Reaktoren bei hoeheren Temperaturen und bei hoeherem Druck (mehr als 374 oC und 221 Atmosphaeren) zu betreiben. Die genannte Bedingung ist als kritischer Punkt des Wassers bekannt, bei dem die Unterschiede zwischen fluessig und dampffoermig verwischen. Im Gebiet oberhalb dieses kritischen Punkts, verhaelt sich Wasser wie eine kontinuierliche Fluessigkeit mit aussergewoehnlicher spezifischer Waermekapazitaet, und ausgezeichneten Waermeuebertragungseigenschaften. Es beginnt auch nicht zu kochen, wenn es weiter aufgeheizt wird oder einen ploetzlichen Druckverlust erleidet. Der primaere Vorteil ueber diesem kritischen Punkt zu arbeiten ist, dass die thermische Effektivitaet mehr als 45 % erreichen kann und die hohe Temperatur macht die Gewinnung von Wasserstoff als Brennstoff moeglich.

 

 

Obwohl die Reaktoren, die mit superkritische Wasser arbeiten, in ihrer Bauweise dem Standard der 2. Generation entsprechen, sind die Unterschiede im Detail gross. Zum Beispiel, wuerde der Kern und damit der Druckbehaelter betraechtlich kleiner. Der Dampfkreislauf ist bedeutend einfacher, weil es mit einem einphasen Fluessigkeit arbeitet. Der kleinere Kern und die niedrigere Kuehlmitteldichte reduzieren das Wasservolumen welches im Falle eines Stoerfalls innerhalb des Kontaiments gehalten werden muss. Da eine geringe Dichte des Kuehlmittels die Energie der Neutronen nicht so gut moderiert, ist die Realisierung eines Schneller Reaktor mit seinen Vorzuegen ebenfalls denkbar. Das groesste Problem von superkritischen Wasser Systemen ist, dass das Kuehlmittel wesentlich korrosiver wirkt. Das bedeutet dass neue Materialien und Methoden zur Kontrolle von Korrosion und Erosion entwickelt werden muessen. Es wird z.B. heute schon verwendet, um Quarz aufzuloesen. Forschungen in diese Richtung laufen in USA, Kanada, Frankreich, Japan und Suedkorea.

 

Ein Design-Ansatz fuer einen anderen Typ von Generation IV Systemen ist der Schnelle Reaktor, was bedeutet, dass das Spektrum von schnellen (hochenergetischen) Neutronen aus der Spaltung fuer die Kettenreaktion genutzt wird. Die meisten Kernreaktoren nutzen thermische (langsame) Neutronen aus dem Spektrum der Spaltneutronen. In einem thermischen Reaktor werden deshalb die hochenergetischen Neutronen im Moderator (meist Wasser) abgebremst und so auf thermische Energie gebracht.

 

Schnelle Reaktoren werden in Frankreich, Japan, Russland und Suedkorea u.a. untersucht. Das amerikanische Entwicklungsprogramm wurde in 1995 gestoppt, aber es zeichnet sich unter dem Einfluss der IV. Generation Initiative ein moegliches neues Interesse ab. In Deutschland wurde die Entwicklung mit dem Baustopp von Kalkar 1993 beendet.

 

Die Schnellen Reaktoren nutzen derzeit meist fluessiges Natrium als Kuehlmittel und Moderator, was das Problem der Handhabung von grossen Mengen dieses reaktiven Metalls birgt. Natrium reagiert bekanntlich mit Wasser aesserst heftig und produziert dabei Wasserstoff und so viel Waerme, dass sich dieser Wasserstoff zumeist entzuendet. Zukuenftige Versionen sollen deshalb auch die Verwendung von niedrigschmelzendem Blei, Blei-Bismut-Legierungen oder inerten Gasen wie Helium oder Kohlendioxid untersuchen. Letztere haetten nicht nur sicherheitstechnische Vorteile, sondern auch ganz banale, da fluessige Metalle nun einmal undurchsichtig sind, ist die Inspektionen und Instandhaltung/Wartung schwieriger.

 

Die hochenergetischen Neutronen in einem Schnellen Reaktor koennen zur Erbruetung von neuem Kernbrennstoff oder zum Abbrennen von langlebigen Abfall aus thermischen Reaktoren und Plutonium aus den ueberbestaenden an Waffenplutonium genutzt werden.

 

Bei einer Wiederaufarbeitung von Brennstoff aus Schnellen Reaktoren laesst sich viel mehr Energie aus dem eingesetzten Uran gewinnen, waehrend sich die Menge an Abfall, der lange Zeit sicher eingeschlossen werden muss, verringert. Diese Brutreaktoren bieten einen Schluessel zur Steigerung der Nachhaltigkeit fuer zukuenftige Kernenergiesysteme, insbesondere, wenn die Anwendung der Kernenergie im zukuenftigen Energiemix weiter steigt.

 

Metallische Kuehlmittel haben zudem einige attraktive Qualitaeten. Sie haben ungewoehnlich gute Waermeuebertragungseigenschaften, welche solchen Reaktortypen erlauben wuerden, solche Unfaellen wie in TMI und Tschernobyl zu widerstehen. Einige (nicht alle) fluessigen Metalle sind betraechtlich weniger korrosiv als Wasser gegenueber Komponenten, was die Betriebsdauer des Reaktordruckbehaelters and anderer Komponenten wesentlich verlaengert. Diese Systeme arbeiten bei hohen Temperaturen aber mit Normaldruck, was die Konstruktion stark vereinfacht und die generelle Gefahr, die von druckfuehrenden Komponenten in einem Kraftwerk ausgeht, ist nicht gegeben.

Mehr als ein Dutzend Natriumgekuehlte Reaktoren sind ueberall in der Welt in Betrieb gewesen bzw. sind noch in Betrieb. Diese Erfahrungen haben zwei prinzipielle Schwierigkeiten aufgezeigt, denen bei zukuenftigen Planungen Beachtung geschenkt werden muss. Natrium reagiert mit Wasser sehr stark, was eine moegliche Unfallquelle sein kann. Diese Charakteristik hat die Designer dazu veranlasst noch einen zweiten Natriumkreislauf zu installieren, um das primaere Kuehlmittel im Reaktorkern von dem Wasser fuer den Dampferzeuger (Sekundaerkreis zur Energieerzeugung) zu trennen. Dies verringert aber den thermischen Wirkungsgrad und vergroessert die Anlage insgesamt. Einige neue Designstudien arbeiten an neuartigen Waermeuebertraegern, welche gegen Lecks geschuetzt sind.

 

Eine neue Entwicklung betrifft die sogenannten unterkritischen beschleunigerbetriebenen Reaktoren (ADR, ADT - accelerator driven transmutation). Diese vom CERN vorangetriebene Idee wird bald hier naeher beleuchtet!

 

weitere Informationen:

  • Website des U.S. Department of Energy zur 4. Generation Initiative