3.4 Reaktivität
und Reaktorperiode
Für einen stabil kritischen Reaktor wurde definiert,
dass der Multiplikationsfaktor k = 1 ist. Nun können
bestimmte Umstände dazu führen, dass der Reaktor
k = 1 verlässt und einen anderen Wert für k annimmt.
Als Mass für die Abweichung von k = 1 bzw. k_inf = 1
bzw. k_eff = 1 hat man dieReaktivität definiert. Sie
ist in ihrer Aussage dem gleich, was der Multiplikationsfaktor
beschreibt: Den Zustand der Kritikalität bzw. die Stabilität
der Kettenreaktion.
Die Reaktivität r ist definiert
zu:
Allgemein gibt man sie in Prozent an.
Definitionsgemäss gelten folgende Beziehungen für
Reaktivität und Multiplikationsfaktor:
r = 0 entspricht k_eff= 1, der
Reaktor ist kritisch
r < 1 entspricht k_eff <
1, der Reaktor ist unterkritisch
r > 1 entspricht k_eff> 1,
der Reaktor ist überkritisch
Die Reaktivität ist stark von dem Betriebszustand des
Reaktors als auch von bestimmten Eigenschaften, den Reaktivitätskoeffizienten,
verschiedener Materialien abhängig.
Diese Faktoren, die die Reaktivität beeinflussen, werden
in der Reaktivitätsbilanz berücksichtigt.
Für die Fahrweise eines Reaktors ist die Grösse
"Reaktivität" natürlich auch bedeutsam:
Wird mehr Leistung benötigt, macht man den Reaktor überkritisch.
In der Praxis fährt man dazu die Steuerstäbe aus
dem Kern bzw. (speziell im Siedewasserreaktor) erhöht
man den Systemdruck.
Dieses darf aber nur in gewissen Grenzen geschehen. Die obere
Grenze ist in diesem Falle beta, also der Anteil verzögerter
Neutronen im Kern. Es darf also theoretisch die Reaktivität
im Reaktor nur so stark erhöht werden, dass rho <
beta. Formuliert drückt diese Bedingung aus, dass der
Reaktor "verzögert überkritisch" ist.
Würde rho > beta sein, so wäre der Reaktor "prompt
überkritisch" - das bedeutet, dass alleine die prompten
Neutronen schon den überkritischen Zustand herbeiführend
würden. Dass hiesse, dass beispielsweise bei einer Reaktivität
von rho = beta + 0,01 die Anzahl der Kettenreaktionen in nur
0,1 Sekunden auf das 10^21-fache steigen würde! Dieser
Zustand muss natürlich vermieden werden, da die Regelsysteme
des Reaktors sonst Schwierigkeiten bekämen.
In der Praxis steigert man in U-235-Reaktoren zur Leistungserhöhung
die Reaktivität um max. 0,1%. Beta hat den Wert 0,65%.
Man ist somit also deutlich unterhalb der Grenze. Die Leistung
des Reaktors wird auch in diesem Falle erhöht - es dauert
lediglich etwas länger.
Die Reaktorperiode:
Die Reaktorperiode T_p ist eine Kenngröße die
beschreibt, in welcher Zeit sich der Neutronenfluss (Anzahl
freier Neutronen, die in 1 Sekunde eine Fläche von 1
Quadratzentimeter durchsetzen, also das Produkt von Neutronenanzahl
und deren mittlere Geschwindigkeit) um den Faktor e (Eulersche
Zahl e = 2,72...) ändert. Sie ist positiv bzw. negativ
wenn der Neutronenfluss steigt bzw. sinkt. T_p geht gegen
unendlich, wenn der Neutronenfluss konstant ist.
Berechnen lässt sich die Reaktorperiode durch folgende
Formel:
Darin sind die Grössen "Reaktivität",
"Anteil der prompten Neutronen an der Gesamtzahl der
Neutronen im Kern" sowie die "Zerfallskonstante
der betrachteten Spaltprodukte", im Mittel ist diese
0,08 1/sec.
In realen Reaktoren liegt T_p bei etwa 69 - 71 sec., da dort
mit Reaktivitäten von etwa 0,1% im gearbeitet wird.
(Sascha Greinke)
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